Die Geschichte von Bingerbrück

Vorgeschichte

Eine römische Besiedelung kann nicht nachgewiesen werden. Während des Baus der Eisenbahnlinie in den 1850er Jahren wurde allerdings ein umfangreiches römisches Gräberfeld ausgegraben, das sich an der Ausfallstraße des römischen Bingen befand. Die gefundenen Steindenkmäler, vorwiegend Grabsteine von Soldaten der Auxiliartruppen, befinden sich heute in der Römerhalle in Bad Kreuznach.

Mittelalter

Die heilige Hildegard siedelte 1150 mit 18 oder 20 Nonnen vom Kloster Disibodenberg in das von ihr gegründete Kloster Rupertsberg über. Hier entstand ein geistlicher Mittelpunkt des Abendlandes. Die Abtei wurde 1632 durch die Schweden in Schutt und Asche gelegt. Der Konvent unter der Oberin Anna Lerch von Dirmstein zerstreute sich, einige Nonnen gingen nach Köln, andere nach Mainz, andere nach Luxemburg. Die Äbtissin kehrte 1636 von Köln zurück, hielt sich kurze Zeit in Bingen auf und begab sich in das Kloster Eibingen. Es gelang ihr nicht, Rupertsberg wiederaufzubauen. Die später gemachten Versuche, den Rupertsberg wieder aufzubauen, führte zu keinem Ergebnis. Immer wieder wurden kleinere Bauarbeiten und Reparaturen begonnen, doch im Verlaufe der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich, Preußen und Österreich um 1793 waren alle noch vorhandenen Bauten des Klosters dem Verfall preisgegeben.

Nach dem Wiener Kongress

Im Jahr 1816 kam Bingen mit dem neugebildeten Rheinhessen, dessen Grenzen durch Rhein und Nahe bestimmt wurden, an das Großherzogtum Hessen. Die rechte an der Gemarkung Rupperstberg gab sie damals preis und so wurde diese dem Kirchdorf Weiler zugeschlagen, da der Verwaltung und der Bürgermeisterei Waldalgesheim unterstand. Die politischen Veränderungen, die der Wiener Kongress mit sich brachte, hatten auch wirtschaftliche Folgen. Die Binger Brücke, die jetzt als Drususbrücke bezeichnet wird, war damals die einzige und wichtige Verbindungsbrücke zwischen Preußen und Hessen. Ein Zollamtsgebäude wurde 1820 in unmittelbarer Nähe der Lohe-Mühle am Mühebach erbaut. Es ist als das erste Haus von Bingerbrück anzusehen. Die frühere Lohe-Mühle wurde nicht mehr genutzt und zu einem Wohnhaus und einer Weinhandlung umgebaut. In diesem Haus lebte Hoffmann von Fallersleben von 1849 bis 1851.

Das Hauptzollamt Binger Brücke wurde überflüssig, nachdem 1828 zwischen Preußen und Hessen ein Zollvertrag geschlossen wurde. 1835 taucht erstmals der Name Binger Brücke in zollamtlichen Verordnungen auf und 1838 werden in Bingerbrück 9 Einwohner gezählt. In den Weinbergen wird 1843 Kalk gefunden, und es wird festgestellt, dass er besonders gute Eigenschaften hatte und als Baumaterial verwendet werden konnte. Die Firma Geyger und Wildt hat den Abbau und den Vertrieb des Bingerbrücker Schwarzkalks durchgeführt.

Bau der Eisenbahn

Die Hessische Ludwigs-Eisenbahngesellschaft erhielt 1856 die Konzession für die Strecke Mainz-Bingen. 1858 beginnen die Bauarbeiten und zur gleichen Zeit wird die Strecke Bingerbrück-Köln von der Rheinischen Eisenbahngesellschaft voran getrieben. An der Nahemündung entsteht ein Preußischer Bahnhof und in Bingen ein Hessischer Bahnhof. Die durchgängige Fahrt von Mainz nach Köln ist ab dem 15.Dezember 1859 möglich. Nach nur einem halben Jahr Bauzeit, ermöglicht durch eine Vereinbarung zwischen Hessen und Preußen, entstand eine Brücke über die Nahe. Parallel dazu hatte Preußen den Bau der Rhein-Nahe-Bahn voran getrieben und im Juli 1858 wurde die Strecke Bingerbrück-Bad Kreuznach eröffnet.

Der Kampf um die Selbständigkeit.

Bedingt durch die Entwicklung der Eisenbahn erlebt Bingerbrück einen starken Zuwachs der Bevölkerungszahl: 1868 – 82 Einwohner, 1875 – 803 Einwohner. Im Jahre 1878 wird ein erster Antrag auf Abtrennung des Rupertsbergs von Weiler gestellt, aber vom Oberpräsident abgelehnt. In die Zeit des weiteren Kampfes um die Erlangung der politischen Selbständigkeit fallen die Entscheidungen über die für eine werdende Gemeinde notwendigen Einrichtungen: einer Schule sowie einer evangelischen und einer katholischen Kirchengemeinde. Am 1.Oktober 1880 wurden die Bingerbrücker Kinder aus der Binger Volksschule entlassen und am folgenden Tag in der neuen Schule in der ehemaligen Provinzialstraße eingeschult. Am 7.August 1892 wurde die katholische Kirche eingeweiht und bis Weihnachten 1894 wurde die evangelische Kirche fertiggestellt. Kaiser Wilhelm II. unterzeichnete am 20. April 1892 einen Erlass zur Abtrennung der Ortschaft Bingerbrück von der Gemeinde Weiler. Am 10.Juni 1892 beginnt die Selbständigkeit von Bingerbrück. Erster Gemeindevorsteher von Bingerbrück, das mittlerweile über 1500 Einwohner zählte, wurde 1886 Johann Franz Herter.

Das Ende des Kaiserreichs

Bedingt durch den Zustrom vieler Eisenbahner, verzeichnete die Verwaltung noch vor dem ersten Weltkrieg 3185 Bürger. Bingerbrück wurde zu einem der wichtigsten Transportknotenpunkte für den Nachschub der Truppen im Westen. Zum Schutz des militärisch wichtigen Bahnhofs wurde auf der Elisenhöhe eine Fliegerwache mit zwei Maschinengewehren eingerichtet. Auf den Abstellgleisen wurden Lazarettzüge abgestellt, die unter der Leitung des Sanitätsrates Dr.Störkel standen. Bingerbrück beklagt 47 im Krieg gefallene Mitbürger. Am 13.121918 rücken die ersten französchischen Truppen in Bingerbrück ein.

Weimarer Republik und der Weg zum Krieg

In dieser Zeit ergeht es der Gemeinde Bingerbrück wie vielen anderen Gemeinden im Land. Bedingt durch die Besatzung verschärfte sich die Wohnungsnot und die Reichsregierung beschloss die Errichtung vieler neuere Wohnungen. Bis 1936 bessert sich die wirtschaftliche Lage in Bingerbrück wieder. Es werden zeitweise 2 Ziegelsteinfabriken, 7 Weinfirmen, eine Eisengießerei, 23 Betriebe im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie 2 elektronische Betriebe gezählt. Während des Dritten Reiches gerieten auch die Juden in Bingerbrück immer mehr in Bedrängnis. Die jüdische Gemeinde in Bingerbrück war nicht sehr groß, aber es sind einflussreiche Juden hier ein Gewerbe betrieben haben: Familie Wolf, die Familien Wohlgemuth, Familie Winkelstein und Familie Herz. 1942 werden Hermann und Selma Herz als einzig bekanntgewordene Bingerbrücker Juden deportiert.

Der Zweiter Weltkrieg

Im Zweiten Weltkrieg wirkt sich der Bombenkrieg der alliierten Luftstreitkräfte für Bingerbrück besonders verhängnisvollaus, weil die Gemeinde als wichtiger Verkehrsknotenpunkt ein häufiges Angriffsziel ist. Die Bahnanlage, die in Friedenszeiten der Gemeinde zur Blüte verholfen hatte, wird nun zur Ursache ihrer Zerstörung. Am 29.9.1944 erfolgt der erste Angriff auf die Bahnhofsanlagen. 123 Menschen sterben an diesem „schwarzen Freitag“ in Bingerbrück. Das Bahnhofsgebäude, das Postamt und fast die gesamte Elisenstraße werden Opfer der Sprengbomben. Die zerstörten Gleise werden teilweise durch eine Eisenbahnbau-Brigade wieder instandgesetzt doch nach wiederholten Angriffen durch feindliche Jagdflugzeuge, beginnt im November 1944 die schwerste Zeit für Bingerbrück. Fünf Bombenangriffen folgt am 29.12.1944 ein Großangriff der alles zerstört was bis dahin noch nicht in Schutt und Asche lag. Von den einst 3299 Personen leben jetzt noch wenige hundert in dem zerbombten Ort. Die meisten sind zu Verwandten und Bekannten aufs Land geflüchtet. Die beiden Nahe-Brücken wurden Mitte März 1945 von sich zurückziehenden deutschen Truppen gesprengt. Am 18.3.1945 rückten die Amerikaner ein und am 21.3.1945 ist der Kampf in Bingerbrück zu Ende. Das Bahngelände mit dem Postamt und 50 Prozent der Wohnhäuser sind total zerstört. Weitere 25 Prozent der Gebäude sind wegen starker Schäden nicht mehr bewohnbar. In Bingerbrück leben nicht einmal mehr 100 Menschen.

   

Wiederaufbau und Eingemeindung

Nach dem Krieg erging es Bingerbrück wie vielen anderen Städten auch: die Ernährungs- und Versorgungslage war sehr schlecht, ebenso die Lebensmittelzuteilung. Es herrschte Mangel an Schuhwerk, die Müllabfuhr fehlt, ebenso die Straßenbeleuchtung und die Kanalisation. Gleichwohl machen sich die Behörden und die Einwohner daran, den Wiederaufbau voranzutreiben. Im Frühjahr 1948 werden die Grundstücksbesitzer zum Aufräumen und zur Entrümpelung ihrer Grundstücke verpflichtet. Bereits im März 1949 wurde die Frage der Eingemeindung nach Bingen erläutert, aber noch im gleichen Monat abgelehnt. Ein Tag von großer Bedeutung war der 19.Mai 1951. Die neue, noch einbahnige, Herterbrücke wurde eingeweiht und der Bahnhof damit wieder an den Verkehr angeschlossen. Der Betrieb des neuen Personenbahnhofs wurde in der gleichen Nacht aufgenommen. Am 1.Mai 1956 erfolgte die feierliche Eröffnung der Jugendherberge. Durch den Beschluss, die notwendige Umgehungsstraße B9 durch Bingerbrück zu führen, musste u.a. auch das Schulgebäude an der Drususstraße weichen und am 23.August 1958 erfolgte die Einweihung des neuen Schulgebäudes in der Herterstraße. Das Genehmigungsverfahren zur Bebauung der Elisenhöhe und das Bangerts zog sich über Jahre hin und wurde im Dezember 1965 erteilt. Im Sommer 1968 begannen die Vorplanungen zum Neubau eines Schwimmbades ebenfalls auf der Elisenhöhe. Schließlich erfolgte am 07.Juni 1969 die Eingliederung Bingerbrücks in die Stadt Bingen.

Siehe auch Bingerbrück – Wikipedia